Das Zelt – Geschichten by Atwood Margaret

Das Zelt – Geschichten by Atwood Margaret

Autor:Atwood, Margaret [Atwood, Margaret]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Berlin Verlag
veröffentlicht: 2015-07-19T16:00:00+00:00


Drei Romane, die ich nicht so bald

schreiben werde

1. WURM ZERO

In diesem Roman sterben alle Würmer. Das schließt die Nematoden ein. Auch alles, was so aussieht wie ein Wurm, selbst wenn es sich nicht um einen richtigen Wurm handelt. Sollte man Larven auch einschließen? Oder Maden? Ich werd das genauer wissen, wenn ich mich erst gründlicher mit der Sache beschäftigt habe.

Würmer jedenfalls. Die in der Erde und die im Wasser. Die in Fischen. Die in Hunden. Die in Menschen, also Rundwürmer, Darmwürmer und Bandwürmer. Die sterben, jeder einzelne von ihnen. Es ist nicht alles negativ.

Oder zumindest ist am Anfang nicht alles negativ. Aber ziemlich bald – weil die Regenwürmer jetzt tot sind, und das ist das Entscheidende – hört die gewöhnliche Zirkulation im Erdboden auf. Wurmdung wird nicht mehr an die Oberfläche geschoben, es gibt keine Wurmlöcher mehr, die es dem Regen ermöglichen, in die Erde einzudringen. Wertvolle Nährstoffe bleiben in den unteren Schichten des Bodens eingeschlossen. Früher fruchtbare Felder verwandeln sich in Granit. Getreide kümmert vor sich hin und wächst dann überhaupt nicht mehr. Eine Hungersnot bricht aus.

Wem sollen wir im Lauf dieser traurigen Geschichte folgen? Ich bin für Chris und Amanda. Sie sind ein nettes junges Paar, das im ersten oder vielleicht zweiten Kapitel großartigen Sex hat. Dann wird ihnen klar, was da vor sich geht, und dass ihr Plan, die Küche zu renovieren, ruiniert ist. Sie werden sich keinen neuen runden, umweltfreundlichen Kühlschrank, der sich aus der Küchentheke herausfahren lässt, mehr einbauen können.

Sie flüchten in ihr Sommerhäuschen, als die bürgerliche Ordnung in der einst blühenden Kleinstadt, in der sie leben, zusammenbricht und die Leute anfangen, ihre Katzen und Goldfische und die getrockneten Sonnenblumen aus ihren Blumenarrangements im Speisezimmer zu essen.

Amanda – von beiden ist sie die Optimistin – versucht, ein paar Zwergtomaten in dem traurigen kleinen Garten zu ziehen, den sie früher nur für Petunien genutzt haben. Chris ist Realist. Er blickt der Katastrophe unmittelbar ins wurmlose Angesicht. (Ja – jetzt fällt’s mir ein –, die Maden sind auch eingegangen, was erklärt, warum um das Sommerhäuschen herum verschiedene Tierkadaver liegen, an denen Krähen und andere Vögel ein bisschen herumgehackt haben. Aber nichts ist so sauber aufgeräumt wie in den Tagen, als die Maden diesen Job erledigten.)

Letzte Szene: Amanda versucht, mit einer Stricknadel Löcher in die steinharte Erde zu stechen. Chris kommt aus dem Haus. Er hat eine Tasse in der Hand, die den letzten Rest ihres entkoffeinierten Instantkaffees enthält. »Zumindest sind wir zusammen«, sagt Amanda.

Oder sollte ich Chris aufschreien lassen: »Wo seid ihr, ihr verdammten Würmer, wenn man euch wirklich braucht?«

Vielleicht sollte Amanda das rufen. Damit würde niemand rechnen, und es würde zeigen, dass sich ihr Charakter entwickelt hat.

Jetzt, da dies erfolgt ist – dieser kathartische, enthüllende und irgendwie vergeistigende Schrei –, könnte ein kleiner, sich noch schlängelnder Wurm in einem Winkel des Gartens entdeckt werden, wie er mit sich selbst kopuliert. Das schlüge einen Ton verhaltener Hoffnung an. Das setze ich immer gerne als Schlusspunkt.

2. SCHWAMMTOD

In diesem Roman beginnt ein Schwamm auf einem Riff vor der Küste Floridas mit rasender Geschwindigkeit zu wachsen.



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